1. De-minimis-Beihilfen
Der Begriff De-minimis-Regel stammt aus dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union. Um den Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten vor wettbewerbsverfälschenden Beeinträchtigungen zu schützen, sind staatliche Beihilfen bzw. Subventionen an Unternehmen grundsätzlich verboten. Sie stellen für das empfangende Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil ge-genüber Konkurrenzunternehmen dar, die eine solche Zuwendung nicht erhalten. Das EU-Recht lässt jedoch Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Verbot zu. Das gilt insbesondere für Förderungen, deren Höhe so gering ist, dass eine spürbare Verzerrung des Wettbewerbs ausgeschlossen werden kann. Diese so genannten De-minimis-Beihilfen müssen weder bei der EU-Kommission angemeldet noch genehmigt werden und können z. B. in Form von Zuschüssen, Bürgschaften oder zinsverbilligten Darlehen gewährt werden. De minimis-Beihilfen können auf der Grundlage von vier verschiedenen De-minimis-Verordnungen gewährt werden:
Die De-minimis-Agrar-Verordnung gilt für Beihilfen (Einzelbeihilfen, Beihilferegelungen) an Unternehmen, die in der Primärer-zeugung landwirtschaftlicher Erzeugnisse tätig sind (Agrarsektor). Hierzu zählen die in Anhang I des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit Ausnahme der Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse im Anwendungsbereich der gemeinsamen Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur. Die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse unterliegt dagegen der De-minimis-Verordnung für Gewerbe.
Vom Anwendungsbereich der Verordnung für De-minimis-Beihilfen im Agrarsektor sind ausgenommen: Beihilfen, deren Höhe sich nach dem Preis oder der Menge vermarkteter Erzeugnisse richtet, Beihilfen für exportbezogene Tätigkeiten sowie Beihilfen, die davon abhängig sind, dass heimische Erzeugnisse Vorrang vor eingeführten Erzeugnissen erhalten.
2. Definitionen und Erläuterungen
2.1 Unternehmensbegriff
Im Rahmen der De-minimis-Verordnungen ist hinsichtlich der Höchstbeträge nicht nur das einzelne Unternehmen, sondern ggf. der Unternehmensverbund in die Betrachtung einzubeziehen. Die EU-Kommission definiert für die Zwecke der De-minimis-Verordnungen einen Unternehmensverbund als ein einziges Unternehmen. Als ein einziges Unternehmen sind somit diejenigen Unternehmen zu betrachten, die zueinander in mindestens einer der folgenden Beziehungen stehen:
- Ein Unternehmen hält die Mehrheit der Stimmrechte der Anteilseigner oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens,
- ein Unternehmen ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen,
- ein Unternehmen ist gemäß einem mit einem anderen Unternehmen geschlossenen Vertrag oder aufgrund einer Klausel in dessen Satzung berechtigt, einen beherrschenden Einfluss auf dieses Unternehmen auszuüben,
- ein Unternehmen, das Anteilseigner oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist, übt gemäß einer mit anderen Anteilseignern oder Gesellschaftern dieses anderen Unternehmens getroffenen Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte von dessen Anteilseignern oder Gesellschaftern aus.
Auch Unternehmen, die über ein oder mehrere andere Unternehmen zueinander in einer der vorgenannten Beziehungen stehen, werden als ein einziges Unternehmen im Sinne der De-minimis-Verordnungen betrachtet. Eine Verbindung zwischen Unternehmen über natürliche Personen findet bei den vorgenannten Überlegungen keine Berücksichtigung. Unternehmen, deren einzige Beziehung darin besteht, dass jedes von ihnen eine direkte Verbindung zu derselben bzw. denselben öffentlichen Einrichtungen aufweist, werden als nicht miteinander verbunden eingestuft.
2.2 Fusion/Übernahmen/Aufspaltungen
Im Falle einer Fusion oder Übernahme müssen alle De-minimis-Beihilfen, die den beteiligten Unternehmen zuvor gewährt wurden, herangezogen werden, um zu ermitteln, ob eine neue De-minimis-Beihilfe für das neue bzw. das übernehmende Unternehmen zu einer Überschreitung des einschlägigen Höchstbetrages führt. Die Rechtmäßigkeit von vor der Fusion bzw. Übernahme rechtmäßig gewährten De-minimis-Beihilfen wird dadurch nicht in Frage gestellt. Im Falle von Unternehmensaufspaltungen müssen die De-minimis-Beihilfen dem Unternehmen zugerechnet werden, welches die Geschäftsbereiche übernimmt, für die die De-minimis-Beihilfen verwendet wurden. Ist dies nicht möglich, erfolgt eine anteilige Aufteilung auf der Grundlage des Buchwerts des Eigenkapitals zum Zeitpunkt der tatsächlichen Aufspaltung.
3. Höchstbeträge/Kumulierung
Die an ein Unternehmen ausgereichten De-minimis-Beihilfen dürfen im laufenden sowie in den beiden vorangegangenen Jahren einen bestimmten Wert nicht übersteigen.
Diese Höchstbeträge sind bei:
- Agrar-De-minimis-Beihilfen 20.000 €,
- Gewerbe-De-minimis-Beihilfen 300.000 €,
- Fisch-De-minimis-Beihilfen 30.000 €,
- DAWI-De-minimis-Beihilfen 750.000 €.
Erhält ein einziges Unternehmen De-minimis-Beihilfen nach verschiedenen De-minimis-Verordnungen, so müssen diese zusammen betrachtet und addiert werden.
Im Bereich der Gewerbe-De-minimis-Beihilfen ist der Drei-Jahres-Zeitraum rollierend, d.h. bei jeder Neugewährung einer De-minimis-Förderung ist der Gesamtbetrag der in den vergangenen drei Jahren gewährten De-minimis-Förderung heranzuziehen. Als Zeitpunkt der Gewährung gilt das Datum, an dem das Unternehmen einen Rechtsanspruch erwirbt (Förderungszusage), und zwar unabhängig davon, wann die De-minimis-Förderung tatsächlich ausgezahlt wird.
Für alle anderen De-minimis-Beihilfen-Bereiche ist der Zeitraum NICHT rollierend. Der Dreijahreszeitraum, der zur Beurteilung herangezogen wird, betrifft
somit alle De-minimis-Beihilfen des laufenden Kalenderjahres (bspw. 2024) und der beiden vorangegangenen Kalenderjahre (bspw. 2022 & 2023). Nach Ablauf des Kalenderjahres 2024 fallen die im Jahr 2022 gewährten Förderungen aus dem Betrachtungszeitraum heraus, dafür sind jene des Jahres 2025 relevant.
Dabei gelten folgende Regeln:
Agrar- + Fisch-De-minimis = 30.000 €,
Gewerbe + Agrar- + Fisch-De-minimis = 300.000 €
DAWI- + Gewerbe- + Agrar- + Fisch-De-minimis = 750.000 €.
Beispiel: Für ein Vorhaben sollen Agrar-De-minimis-Beihilfen gewährt werden. Der Begünstigte hat im laufenden und in den letzten zwei Jahren keine Agrar-De-minimis-Beihilfen erhalten, allerdings 290.000 € Investitionsbeihilfe nach der Verordnung (EU) 2023/2831. Wegen der Vorgabe zur Einhaltung der Höchstbeträge kann daher eine Agrar-De-minimis-Beihilfe von höchstens 10.000 € gewährt werden, obwohl nach der Agrar-De-minimis-Verordnung eine Förderung von bis zu 20.000 € zulässig wäre.
4. Verpflichtungen des Unternehmens
Das antragstellende Unternehmen ist verpflichtet, bei der Beantragung für sich und ggf. auch für den Unternehmensverbund – ein einziges Unternehmen – eine vollständige Übersicht über die im laufenden und den zwei vorangegangenen Kalenderjahren erhaltenen De-minimis-Beihilfen vorzulegen. Aus den Angaben in der De-minimis-Erklärung lassen sich keine Ansprüche auf die Förderung ableiten.
5. Verpflichtungen der gewährenden Stelle
Die gewährende Stelle ist verpflichtet, dem Unternehmen mitzuteilen, dass es eine De-minimis-Beihilfe erhalten hat. Mitgeteilt wird dies in der Förderbewilligung bzw. Förderzusage in der die gewährende Stelle den Beihilfebetrag genau angeben muss. So kann das Unternehmen genau nachvollziehen, wie viele De-minimis-Beihilfen es im laufenden sowie in den zwei vorangegangenen Kalenderjahren erhalten hat und ob der Höchstbetrag schon erreicht ist. Zudem müssen auch Kumulierungsgrenzen mit anderen Beihilfen für dieselben beihilfefähigen Kosten eingehalten werden. Führt ein Antrag zur Überschreitung eines Höchstbetrages, kann nur noch der offene Betrag bewilligt werden, der darüber hinausgehende Betrag ist abzulehnen.
6. Beispiel
Ein Unternehmen bekommt folgende Zuschüsse:
Ausschlaggebend ist somit immer der Zeitraum des laufenden Kalenderjahrs sowie der zwei vorangegangenen Kalenderjahre. Beantragt der Unternehmer im 6. Kalenderjahr auf Basis De-minimis-Agrar 13.000 €, so können ihm 11.000 € gewährt werden bis zur Erreichung des Höchstbetrages von 20.000 €, die restlichen 2.000 € sind abzulehnen